Beschlussvorschlag:
Der Rat der Universitätsstadt Siegen beschließt folgende Resolution:
Die Corona-Pandemie, ihre Bekämpfung und die sich daraus ergebenen Folgen werden zu allererst in den Kommunen relevant. Die Kommunen sind – wie in so vielen Politikbereichen – auch im Gesundheitsschutz das Fundament und die Stützen unseres Landes. Die Kommunen stehen nun vor großen Herausforderungen, die sich aus der krisenhaften Situation ergeben.
Die Kommunen in NRW und insbesondere auch die Universitätsstadt Siegen haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen um ihre Haushalte auszugleichen und ihre hohen Kassenkredite abzubauen. Unterstützt wurden sie dabei durch eine gute Konjunkturlage und positive Steuereinnahmen. Dieses Bild dürfte sich bald dramatisch verändern.
Angesichts der nunmehr zurecht erleichterten Möglichkeit, Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer zu stunden, von der viele betroffenen Unternehmen Gebrauch machen müssen, ist zu befürchten, dass Kommunalhaushalte flächendeckend unter Druck geraten.
Wegen der eingebrochenen Nachfrage in vielen Wirtschaftsbereichen ist von nachhaltigen Einbrüchen der Steuereinnahmen der Kommunen auszugehen. Die Einkommensteueranteile, die Anteile an der Umsatzsteuer und insbesondere die Einzahlungen aus der Gewerbesteuer werden deutlich absinken. Für unsere Kommunen gibt es jedoch keine Handlungsspielräume diese Einnahmeverluste auszugleichen.
Viele kommunale Unternehmen stehen vor einer existenziellen Bedrohung. Überdies hat die Lage der Kommunen harte Folgen für die Wirtschaft, weil die Kommunen als größter öffentlicher Investor deutlich weniger investieren oder sogar gänzlich ausfallen.
Auch über den kommunalen Finanzausgleich werden die Kommunen mittelbar durch wegbrechende Steuereinnahmen in Folge der Corona-Krise geschädigt. Sinkt das Steueraufkommen insgesamt, sinkt auch die Summe der Verbundsteuern an denen die Kommunen über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) mit 23 Prozent beteiligt werden.
Gleichzeitig werden sich die Kommunen steigender Kosten ausgesetzt sehen, auf deren Höhe sie keinerlei Einfluss haben. Insbesondere im Gesundheitsbereich und bei den Sozialkosten ist mit steigenden Ausgaben zu rechnen. Kommunale Unternehmen sind ebenso von der Krise betroffen und werden über die Kommunen zu stützen sein. Kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken, Musikschulen, Volkshochschulen und Museen können derzeit, wenn überhaupt, nur sehr geringe Deckungsbeiträge zu den weiterlaufenden Kosten erwirtschaften.
Der Bundestag hat am 25. März 2020 das größte Rettungspaket der deutschen Geschichte beschlossen. So wurde einem Nachtragshaushalt mit einer Nettokreditaufnahme von 156 Mrd. Euro zugestimmt, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern. Auch der Landtag beschloss am 24. März 2020 einen Nachtragshaushalt und einen Rettungsschirm, mit dessen Hilfe 25 Milliarden Euro zur Abfederung der Corona-Folgen eingesetzt werden sollen.
Dieses schnelle Handeln von Bund und Land hat in dieser außergewöhnlichen Notsituation unsere Wirtschaft und den Arbeitsmarkt sowie Bürgerinnen und Bürgern – und damit letztlich unsere Gesamtgesellschaft – gestützt. Ebenso wurden erste Schritte zur Unterstützung der Kommunen in unserem Land unternommen. Diese Bemühungen müssen nun weiter intensiviert werden.
Wir erwarten, dass aus den Mitteln der Rettungsschirme von Bund und Land auch vermehrt die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen, die jetzt krisenbedingt verlorenzugehen droht, gestärkt wird. Die Kommunen stellen den größten öffentlichen Auftraggeber in NRW dar. Ihr Auftragsvolumen trägt in nicht unwesentlichem Maße zur wirtschaftlichen Nachfrage bei nordrhein-westfälischen Unternehmen bei. In Zeiten wegbrechender wirtschaftlicher Nachfrage gilt es, das Auftragsvolumen der Kommunen in größtmöglichem Umfang zu erhalten, um die Unternehmen nicht zusätzlich unter Druck zu setzen, sondern positive wirtschaftliche Impulse zu setzen.
Gerade jetzt sind auch die Kommunen gefordert, mit gezielten Maßnahmen den von der Krise in existenzgefährdender Weise betroffenen Menschen, Unternehmen, Freiberuflern und Soloselbständigen in allen Bereichen unserer Wirtschaft, insbesondere auch in den für unsere Innenstädte und Stadtteilzentren strukturell bedeutsamen Bereichen des stationären Einzelhandels und der Gastronomie, aber auch z.B. den Kulturschaffenden und Vereinen zu helfen.
Wenn dies nicht gelingt, werden sich unsere örtliche Gesellschaft, unser Wirtschaftsleben vor Ort und unsere Innenstädte und Stadtteilzentren in dramatischer Weise negativ verändern.
Vor diesem Hintergrund brauchen die Kommunen eine echte Förderung und nicht lediglich haushaltsrechtliche Erleichterungen oder weitere Schulden, die den ohnehin übergroßen Schuldenberg der Kommunen zusätzlich erhöhen.
Konkret fordern wir die Bundes- und Landesregierung auf,
• einen kommunalen Rettungsschirm aufzusetzen mit finanziellen Direkthilfen zur Kompensation kommunaler Steuerausfälle,
• kommunale Unternehmen in die Rettungsschirme von Bund und Land einzubeziehen,
• die in den Kommunen zusätzlich benötigte Liquidität sicherzustellen und
• einen größeren Anteil der Soziallasten, die die wesentliche, strukturelle Ursache der kommunalen Finanznot und damit auch der über Jahrzehnte angewachsenen Altschulden vieler Kommunen sind, auf den Bund zu verlagern.
In dieser schweren und nie dagewesenen Zeit kommt es auf ein Zusammenspiel der politischen Kräfte aller staatlichen Ebenen an, um den Wohlstand, den Fortschritt und den sozialen Frieden im Land zu wahren und zu mehren. Die Corona-Krise darf nicht zur Verschärfung der gesellschaftlichen Folgen ungleicher Lebensverhältnisse in den Kommunen beitragen und somit zur weiteren Spaltung unserer Gesellschaft sowie der kommunalen Familie führen.
Den kompletten Antrag finden Sie hier.